Vortrag von Prälat Dr. Johannes Neuhardt
In Der Herbst des Mittelalters schreibt der Historiker Johan Huizinga über die Entstehungszeit des Rosenkranzgebets im Spätmittelalter: »Das Leben der mittelalterlichen Christenheit ist in all seinen Beziehungen durchdrungen, ja völlig gesättigt von religiösen Vorstellungen. Es gibt kein Ding und keine Handlung, die nicht fortwährend in Beziehung zu Christus und dem Glauben gebracht werden. Alles ist auf eine religiöse Auffassung aller Dinge eingestellt, und wir stehen vor einer ungeheuren Entfaltung innigen Glaubens.
Als Alanus de Rupe seine neue Bruderschaft vom Rosenkranz propagierte, galt der Widerstand, den er fand, mehr den Neuheiten an sich als dem Programm. Die Gegner meinten, das Volk würde im Vertrauen auf die Wirkung solch einer großartigen Gebetsgemeinschaft, wie Alanus sie sich vorstellte, die vorgeschriebenen Pönitenzen [Strafe oder Buße, welche der Priester dem Beichtkind zur Genugtuung für begangene Vergehen auferlegt, z. B. Wachen, Fasten, Wallfahrten ] und die Geistlichkeit des Breviers vernachlässigen.
Die Zeichen der immer bereiten göttlichen Gnade hatten sich stets vermehrt; rings um die Sakramente blühten die Benediktionen [sakramentsähnliche Handlungen wie Besprengen mit Weihwasser oder Beräuchern, durch welche die Gnade Gottes für Personen und der heilsame Gebrauch für Sachen erfleht wird]; von den Reliquien kam man zu den Amuletten; die Kraft des Gebets wurde formalisiert in den Rosenkränzen, die bunte Galerie der Heiligen bekam immer mehr Farbe und Leben. Und wenn auch die Theologie für eine scharfe Unterscheidung zwischen Sakramenten und Sakramentalien eiferte, welches Mittel gab es, das Volk davon abzuhalten, auf all das Magische und Bunte seinen Glauben und seine Hoffnung zu gründen?«
Vortrag von Prälat Dr. Johannes Neuhardt, Diözesankonservator in Salzburg.
Eintritt frei