Ein Leseabend mit Irene Heisz
»Der Geigenmacher Stainer / Geht pfeifend durch den Wald, / Ein Meister, wie wohl keiner / Geboren wird so bald.«
So beginnt die Ballade des Tiroler Großlyrikers Hermann von Gilm im Jahr 1860. Und sie endet mit :
»Die Sonn' geht auf in reiner / Und strahlenvoller Pracht, / Jedoch der arme Stainer / Liegt in des Wahnsinns Nacht.«
Gilm greift damit ein literarisches Motiv auf – Stainers Wahnsinn –, das dreißig Jahre vor ihm der Tiroler Beamte und Politiker Johannes Schuler in seiner Novelle Jakob Stainer (1828) benutzt hatte, um den braven »deutschen« Stainer als Opfer einer »charakterlosen« Italienerin darstellen zu können.
Am Ende seiner Novelle schreibt Schuler: »Noch zeigt man in Absam in Stainers Hause die Bank, an die der Unglückliche in den Perioden des Tollsinnes gebunden und das Loch darin, durch das der ihn fesselnde Strick gezogen wurde.«
Oralhistory
Schuler wiederum hatte sich für seine Novelle bei seinem Kollegen Benedict von Sardagna bedient, wie er ein Tiroler Beamter, der im restaurativen Regime von Franz II. Karriere gemacht hatte: zuerst als Statistiker und Kartograf des »Unter-Innthaler-Kreises« und dann aufgrund seines »unermüdlichen Diensteifers und biederen Charakters« als Commissär und Referent der obersten Polizey-Censur-Hofstelle.
Wiederum dreißig Jahre vor Schulers Novelle hatte Sardagna um 1790 in Absam recherchiert und den Absamer Pfarrer über Jacob Stainer befragt. Dessen Mutmaßungen (u. a. über Stainers Wahnsinn) – angestellt 110 Jahre nach Stainers Tod – hielt Sardagna in handschriftlichen Notizen fest, die 1822 zum ersten Mal publiziert wurden. Stille Post eben …
Lesung mit Irene Heisz
Im ersten Teil des Abends werden die schönsten Stellen aus Schulers Novelle und die Ballade von Gilm vorgetragen. Im zweiten Teil folgt ein Gespräch mit der Kulturjournalistin Irene Heisz über Literatur, Politik und Stainer im 19. Jahrhundert fortfolgend.
Eintritt frei