Massenhinrichtungen und Gewalt in Fotos aus dem Ersten Weltkrieg
Ein Vortrag von Anton Holzer
Die Hinrichtung von Zivilisten durch Angehörige der k.u.k. Armee in Galizien (Ukraine) war das Motiv einer Fotopostkarte, die das Fotoatelier Matthias Seebauer in Wien hergestellt und vertrieben hat.
»Der Krieg der österreichischen Armee begann mit Militärgerichten. Tagelang hingen die echten und die vermeintlichen Verräter an den Bäumen auf den Kirchplätzen, zur Abschreckung der Lebendigen. Aber weit und breit waren die Lebenden geflohen.«
(Joseph Roth, Radetzkymarsch)
Der angeblich so heroische Weltkrieg 1914 –1918 hat eine dunkle Kehrseite. Zehntausende unschuldiger Zivilisten wurden während des Ersten Weltkriegs im Osten und Südosten Europas als angebliche »Spione« am Galgen hingerichtet, es kam zu zahlreichen Massakern an unbeteiligten Zivilisten. Bis heute ist wenig über diesen brutalen Krieg der k.u.k. Armee gegen die Zivilbevölkerung bekannt.
Karl Kraus war einer der wenigen, die in der »Fackel« und in den »Letzten Tagen der Menschheit« explizit auf diese Gewalttaten hingewiesen haben. Er hat die Übergriffe als »Austrian Brutalities« bezeichnet. Die österreichischen Historiker hingegen haben dieses heikle Thema bis heute »vergessen«.
Die schriftliche Quellenlage ist dürftig. In ost- und südosteuropäischen Archiven finden sich aber – von der Forschung bisher nicht beachtet – zahlreiche Fotografien, die die Gewalttaten in erschreckenden Detailaufnahmen zeigen. Ausgehend von diesen Fotografien beschäftigt sich der Fotohistoriker Anton Holzer in seinem Vortrag mit den visuellen Spuren lange tabuisierter Gewalttaten. Müssen wir, so fragt er, hundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs, nicht unser Bild des Krieges grundlegend revidieren?
Anton Holzer, geb. 1964, Dr. phil., Herausgeber der Zeitschrift FOTOGESCHICHTE, arbeitet als Fotohistoriker, Publizist und Ausstellungskurator in Wien. Publikationen und Forschungen zur Geschichte der Fotografie.
Bücher zum Ersten Weltkrieg:
Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg, Darmstadt, 3. Aufl. 2012 (Primus Verlag)
und
Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914 – 1918, Darmstadt, 2. Auflage 2014 (Primus Verlag).
Vor kurzem erschien:
Die letzten Tage der Menschheit. Der Erste Weltkrieg in Bildern. Mit Texten von Karl Kraus, Darmstadt 2013 (Primus Verlag).