und die Konstruktion der Ritualmordlegende von Rinn
FR 3. Juli um 20 h
SA 4. und SO 5. Juli um 16 h
Wahnglauben …
»Die von Seiten der Christen seit dem 12. Jahrhundert gegen Juden erhobene Blutbeschuldigung wird gerne als Ausgeburt dumpfen Aberglaubens ›des Volkes‹ angesehen.
In Wirklichkeit steht sie in enger Beziehung zu subtilen theologischen Erörterungen des Hochmittelalters […].
In katechetischen Beispielerzählungen wurden angebliche Hostienschändungen oder Verunehrungen konsekrierten Weins zunächst ›schlechten Christen‹ und kleingläubigen Priestern zum Vorwurf gemacht.
Später unterschob man dann diese ›Religionsverbrechen‹ den ›ungläubigen Juden‹.« (Georg R. Schroubek)
Mittelalter
Kein Wunder also, dass der wahrlich mittelalterliche Intellektuelle Hippolyt Guarinoni in Hall um 1620 die ihm aus seiner Heimat Trient bekannte Ritualmordlegende des Simon von Trient aus dem Jahr 1475 für Nordtirol adaptierte.
Er konstruierte alle Bestandteile eines kultstiftenden »Ritualmordes« für Rinn, waren es doch gerade Reliquien, also materielle »Zeugnisse« ( Geburtshaus, Grab, Gebeine, der Stein ), welche die erstaunliche Konstanz dieses Wahnglaubens über Jahrhunderte hin bewirkten.
Vergessen
Heute, 30 Jahre nach der endgültigen Beseitigung dieser »Zeugnisse« durch Bischof Stecher im Jahr 1985 – offiziell aufgehoben wurde der Anderl-Kult bereits 1961 – ist vieles vergessen. Das Hotel neben der Kirche in Rinn verwaist.
Vergessen ist aber auch, dass um 1910 bereits einer der frühen Innsbrucker Rabbiner, Dr. Josef Sagher, in Zeiten der Hochblüte des politischen Antisemitismus umfangreiche Initiativen von Tirol bis Rom setzte, die bildlichen Darstellungen des »Ritualmordes« in der Kirche in Rinn beseitigen zu lassen, um diesem »Zustand von Wahnvorstellungen ein Ende zu machen«. …
Eintritt frei