Das Arbeitserziehungslager Innsbruck-Reichenau vor und nach 1945
Vortrag mit zahlreichen Dokumenten und Interviewausschnitten von ehemaligen Reichenau-Häftlingen im Gemeindemuseum Absam
Ort der Herrschaft
Wie andere Arbeitserziehungslager, entwickelte sich das Lager Innsbruck-Reichenau ab 1942 zu einem bedeutenden Herrschaftsinstrument im Gau Tirol-Vorarlberg:
Als Gemeinschaftsprojekt der regionalen Gestapo, des Arbeitsamtes und regionaler Wirtschaftsbetriebe diente das Arbeitserziehungslager Reichenau der Disziplinierung und Ausbeutung von Zwangsarbeitern, der Inhaftierung politischer Gegner und als Durchgangslager für italienische Jüdinnen und Juden im Zuge ihrer Deportation.
Diese Mehrfachfunktion als Anhalte-, Straf- und Haftlager gibt Aufschluss darüber, wie NS-Herrschaft auf regionaler Ebene funktionierte, wie lokale Wirtschaftsinteressen in das System der Unterdrückung eingebunden waren und damit generell über lokale Zusammenhänge des NS-Regimes.
Unsichtbar
Das im Jahr 1972 errichtete Denkmal in der Reichenau gibt aber bis heute wenig Auskunft über diese Geschichte: Die größte Häftlingsgruppe, die tausenden Zwangsarbeiter, die die Gestapo in der Reichenau von 1942 bis 1945 eingesperrt hatte und die im Zuge ihrer Bestrafung im Großraum Innsbruck in Außenkommandos Strafarbeit leisten mussten, wird nicht einmal erwähnt.
So hat die Stadt den Bombenräumkommandos aus der Reichenau die Beseitigung zahlreicher Blindgänger ab Dezember 1943 zu verdanken. Auch das rote Dreieck am Denkmal suggeriert, dass es sich um ein Lager für politische Häftlinge gehandelt hätte (in den Konzentrationslagern stigmatisierte die SS die Politischen mit einem roten, dreieckigen Stoffaufnäher). Auf einem Wegweiser wird aus dem Gestapolager Reichenau ein Konzentrationslager gemacht.
Grenzen der Erinnerung
Aber gerade aufgrund dieser zahlreichen »Unstimmigkeiten« gibt das Denkmal Auskunft über die Grenzen der Erinnerung an den Nationalsozialismus in Tirol ab den 1970er Jahren. Wahrgenommen wird das Denkmal von den Tausenden, die dahinter immer wieder fein säuberlich ihren Müll trennen, kaum …
Eintritt frei