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»Ich baue Wohnungen und keine Konservenbüchsen«

Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart – Vortrag

Die Weissenhofsiedlung in Stuttgart – Vortrag

In der Weissenhofsiedlung in Stuttgart haben 17 Architekten unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe 1927 eine Mustersiedlung gebaut. Sie sollten die Frage beantworten, wie künftig gewohnt und gelebt werden kann. In wenigen Monaten entstanden insgesamt 63 Wohnungen.

Das Konzept war: Häuser sollten nicht mehr der Repräsentation dienen, sondern im Zentrum standen Bedürfnissen der Bewohner – vor allem Luft und Licht sollten sie bieten.

Die Tuberkulose anstelle von verschnörkeltem Jugendstil prägte die Planung: würfelförmige, schmucklose Gebäude mit großen Fenstern und Dachterrassen. Die Nationalsozialisten diffamierten die Siedlung als »Araberdorf«, im Zweiten Weltkrieg wurde ein Teil der Häuser zerstört.

Mies van der Rohe ging bei seinen Überlegungen zur Weissenhofsiedlung von einer »Plastik« aus. Er wollte ein neues Lebensgefühl schaffen mit der Vermittlung von fließendem Raum von Innen nach Außen.

Sein Motto war: »Ich baue Wohnungen und keine Konservenbüchsen. […] Ich halte es dort am Weißenhof für notwendig, einen neuen Weg einzuschlagen, da ich mir bewusst bin, dass ein neues Wohnen sich über die 4 Wände hinaus auswirken wird. Hier kommt es nicht darauf an, einen mustergültigen Bebauungsplan im alten Sinne aufzustellen, sondern ich will wie im Bauen, so auch hier Neuland erobern. Darin sehe ich überhaupt den Sinn, den einzigen unserer Arbeit.«

So wurden zum Beispiel die Forderungen der Medizin der 1920er Jahre nach Berücksichtigung der Hygiene im Wohnungsbau, nach der Möglichkeit Luft- und Sonnenbäder direkt bei der Wohnung zu nehmen, tägliche Gymnastik im Zusammenhang mit dem Bad zu betreiben, von nahezu allen Architekten zum Kern ihrer Entwurfsidee gemacht.

Peter Behrens ordnete bei jeder Wohnung eine Terrasse oder einen großen Balkon an, damit die Tuberkulose-Kranken der Familie an der frischen Luft gebettet werden konnten. Und Hans Scharoun plante für sein Haus am Weissenhof einen fast freistehenden Küchenblock, von dem man in den 60er Jahren meinten, man hätten ihn gerade neu der Menschheit geschenkt.

Doch das alles galt den Traditionalisten nichts. Sie sahen das flache Dach und sahen rot. Der sich als Rassentheoretiker versuchende Architekt Paul Schultze-Naumburg meinte gar, nur das schiefe Dach sei »nordisch-germanisch«, das flache Dach sei »undeutschen, kleinasiatischen oder gar noch südlicheren und verruchteren Ursprungs.«

In der Folge waren nicht nur die kurze moderne Phase des Tiroler Architekten Lois Welzenbacher von der Weissenhofsiedlung beeinflusst, sondern ihre Spuren reichen bis zur Gegenwart.

So bezieht sich der Pritzker-Preisträger 2016, der chilenische Architekt Alejandro Aravena, mit seinem partizipatorischen Elemental Design-Manual für 7500-Dollar-Häuser explizit auf die Bauten in Stuttgart, denn ein halbes Haus ist bedeutend mehr als ein kleines Haus …


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