Gespräch mit Marlene Streeruwitz
Marlene Streeruwitz, eine Autorin die keine Trennlinie zwischen Ästhetik und politischem Standpunkt zieht, entwirft in ihrem neuen Roman »Die Schmerzmacherin« eine Welt nach der Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols.
Sie spielt ein Szenario durch, das weit weniger fiktiv ist, als den Lesern lieb sein dürfte: Was geschieht mit unserer Freiheit, wenn sich staatliche Souveränität in Netzwerken auflöst?
Amy unterzieht sich einer Ausbildung in einer Sicherheitsfirma. Das Unternehmen ist unter anderem in den Afghanistan-Krieg involviert und hat sich dort auf Folterverhöre spezialisiert.
In ihrer neunmonatigen Ausbildung zur Sicherheitsagentin lösen sich die Grenzen zwischen Simulation und tödlichem Ernst auf. Amy kann nicht mehr unterscheiden, ob sie gerade trainiert oder ob sie schon um ihr Leben ringt. »Hier war alles ein Vergleich. Alles war, als ob. … Ich habe Angst und weiß nicht, wovor oder warum.«
Der Text greift auf seine Leser über. Die Sprache misstraut ganzen Sätzen, »weil diese mit ihrer heilen Oberfläche eine Aussagesicherheit versprechen, die sie nicht halten können.« (FAZ) Er führt mit seinem komplexen Bedrohungsszenario hinein in die Gegenwart der Leser: Amys Geschichte entwickelt, was passiert, wenn Staaten ihre Sicherheitspolitik in die Hände privater Unternehmen legen und das politische Feld zu einem Wirtschaftssektor machen.
»Literarisches Schreiben und Lesen sind, wie alle Prozesse von Sprachfindung, mögliche Formen des In-sich-Hineinblickens. Sind Schnitte in die sichtbare Oberfläche, um tiefere Schichten freizulegen. Sind Forschungsreisen ins Verborgene. Verhüllte. Mitteilungen über die Geheimnisse und das Verbotene. Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und Lesen zur Erkenntnis.« (Marlene Streeruwitz)