Chris Pichler liest Paula Schlier
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Nach der Befreiung im Mai 1945 wollten viele schon immer »dagegen« gewesen sein oder »nichts gewusst« haben.
Eine Frau, die bereits in den 1920er Jahren über die NSDAP geschrieben hat, spionierte sie einfach aus: 1923 schleicht sich die junge Paula Schlier beim »Völkischen Beobachter« ein, als Stenotypistin.
Mit Pomp und Gewalt
Paula Schlier verfasste Mitte der Zwanziger Jahre eine Reihe von Artikeln für den Nürnberger Anzeiger, in denen sie sich – noch vor der Veröffentlichung von »Mein Kampf« im Jahr 1925 – vehement gegen den aufkeimenden Nationalsozialismus wandte: dieser veräußerliche, verwildere, verrohe das nationale Gefühl, gestikuliere, schwätze, schreie, komme mit Pomp und Gewalt daher.
Vor allem kritisierte sie auch den Antisemitismus: »Antisozial ist es, wenn man so maßlos ungerecht – und nebenbei dumm ist, daß man einen seit Jahrhunderten im Volk eingewurzelten Volksstamm nicht nur mit der Alleinschuld an unserem Elend belastet, sondern ihn auch in einer direkt kindisch anmutenden Weise dafür bestrafen will!«
Die Schreiberin gehört zur Maschine
Um Material zu sammeln, begann sie 1923 beim Völkischen Beobachter als Stenotypistin zu arbeiten. Niemand fragte sie nach ihrer politischen Einstellung:
»Die Meinung einer Stenotypistin in einer großen Redaktion ist völlig gleichgültig, die Schreiberin gehört zur Maschine, sie hat nur eine Funktion: die der Bedienung von Hebel und Taste.«
Die Konsequenzen nicht bedenkend, veröffentlichte sie ihre dabei gesammelten Erfahrungen 1926 in der sozialdemokratischen Münchener Post. Alfred Rosenberg schrieb darauf einen Revancheartikel im Völkischen Beobachter.
Nach dem Diktat der Zeit
Als Arbeitslose lernte sie 1925 Ludwig von Ficker kennen, der ihr literarisches Talent erkannte. Ihr erstes Buch »Petras Aufzeichnungen. Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit« erschien 1926 in Innsbruck. Darin konnte man auch ihre Reportage über die »Redaktion der Patrioten« lesen …
1942 verhaftet die Gestapo Paula Schlier. Nach mehreren Wochen Einzelhaft wird sie in eine Nervenheilanstalt bei München eingeliefert. Ein befreundeter Arzt verhilft ihr zur Entlassung. Sie kann untertauchen und kommt auf Vermittlung Ludwig von Fickers ins Zufluchtshaus der Barmherzigen Schwestern in Hall.
Chris Pichler
Chris Pichler lebt in Wien und Berlin, spielt an den renommierten deutschsprachigen Bühnen in Berlin, Wien, Frankfurt, Köln, Weimar. Die mehrfach mit Preisen ausgezeichnete österreichische Schauspielerin verfügt über ein großes Charakterrollenrepertoire, dessen Bandbreite von der Klassik bis zur Moderne reicht.