Eine Geschichte von Ordnung und Unordnung
Vortrag von Anton Tantner
Wo die Seelen wohnen … Der absolutistische Staat im 18. Jahrhundert will Soldaten aus- und Steuern einheben, dazu muss er aber wissen, wo exakt die Seelen (seiner Untertanen) wohnen.
So wird vor 248 Jahren in Tirol mit der Nummerierung von Häusern begonnen. Die Hausnummer wird zwar an den Häusern angebracht und die erste Rekrutierung gelingt auch, allerdings kommt es in den Fürstbistümern Brixen und Trient zu massiven Tumulten:
Kaiserliche Symbole werden zerstört, die Konskriptionssäulen, die die Grenzen der einzelnen Militärbezirke anzeigen, werden ausgerissen. Bauern rufen Versammlungen ein, löschen die Nummern von ihren Häusern und sind damit erfolgreich: Joseph II. lenkt in seinem letzten Regierungsjahr ein …
Selbstverständlich
Klein und unscheinbar hat sie sich an den Häuser festgemacht: die Hausnummer. So selbstverständlich ist sie im Alltag geworden, dass man nicht auf die Idee kommt, sie könnte eine Geschichte haben. Ihren Siegeszug erlebt die Hausnummer im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung.
Sie wird nicht etwa deshalb eingeführt, um den Menschen in den Städten und Dörfern die Orientierung zu erleichtern, oder um besonders zuvorkommend gegenüber Reisenden zu sein – ihre Herkunft führt mitten in das Herz des aufkommenden modernen Staats mit seinen Zentren Militär, Fiskus und »Policeywissenschaft«:
Die Hausnummerierung ist ein Mittel zur Adressierung, die Nummer weist jedem Haus eine eigene, unverwechselbare Stelle zu und soll den staatlichen Zugriff auf die darin lebenden Untertanen ermöglichen …
Anton Tantner ist Historiker an der Universität Wien und hat im Jahr 2007 eine kurze Geschichte der Hausnummer geschrieben (vergriffen). Heuer hat er ein Buch über Adressbüros, Fragämter und Intelligenzcomtoirs – also die ersten Suchmaschinen – publiziert (am Büchertisch erhältlich).