Tatort-Philosophie mit Alfred Pfabigan
Der Mörder ist immer der …
Schon 1978 wird der aus Absam stammende Täter im tatort »Himmelfahrt« unschuldig gesprochen:
Nach dem Krebstod seiner Frau verlässt er seinen Job an der Uni Innsbruck und geht als alleinerziehender Vater nach Norddeutschland, um dort die Astrophysik für die Gärtnerei an den Nagel zu hängen. Jedoch die Vergewaltigung seiner Tochter am Himmelfahrts-Tag beendet dieses biedere Leben (als gesetzestreuer Bürger) und mündet in einem Rachefeldzug. Er tauscht Gartenschere und Gießkanne gegen ein Präzisionsgewehr, das (laut Drehbuch »immer auf den Punkt trifft«. Ins Fadenkreuz seiner Selbstjustiz nimmt er Feuerwehrmänner und Blasmusikanten …
Schon dieser frühe Tatort entspricht damit einem der Charakteristika, die der Fernsehforscher Alfred Pfabigan nach Analyse dieser Fernseherfolgsreihe dingfest gemacht hat: der unschuldige Täter und seine schuldigen Opfer. Denn im tatort lässt man Täter »gelegentlich laufen und verurteilt so die anderen Verdächtigen zu ›lebenslänglich‹. Ermittlungen werden oft derart geführt, dass am Ende das Opfer zum Schuldigen gemacht wird – da hat sich die Gemeinschaft einfach nachvollziehbar eines Ekelpakets entledigt; eine Angewohnheit der Drehbücher, die mit der Entschuldigung der Täter korrespondiert.« (Alfred Pfabigan am 17. Oktober 2016 in »Die Zeit «)
Publiziert hat er seine Erkenntnisse in dem vor wenigen Wochen erschienen Buch »mord zum sonntag – tatort-philosophie«. Im Zentrum des Gesprächs am 26. November im Museum stehen die Vorgeschichte des Buchs (warum ist tatort-Kritik notwendig?) und drei ausgewählte Kapitel:
Das schuldige Opfer,
Motiv oder Spur –
deutsche Empathie gegen US-Empirismus und
Jenseits des Rechtsstaats.
Alfred Pfabigan
geboren 1947 in Wien, habilitierte 1979 in Politikwissenschaft an der Universität Salzburg.
1993 – 2013 war er Professor für Sozialphilosophie an der Universität Wien und unterrichtete in den USA, Bulgarien, Frankreich und der Ukraine.